Aktuelles

Zum gegenwärtigen Krieg zwischen Russland und der Ukraine erreichte mich ein Statement des Autors Günther H. W. Preuße, der wie ich Mitgliedes des Freien Deutschen Autorenverbandes Brandenburg ist. Ich füge seinen Text an diese Stelle ein, weil ich seine nachdenklichen Gedanken teile.

Als ein FDA-Mitgliedswort zur Lage

Ich möchte Euch gern ein paar Gedanken senden. In Tagen, da sich viele im Lande wieder plakativ und stereotyp aus dem Arsenal der Worthülsen aktueller Debatten und Brennpunkt-Sendungen bedienen. Das, die Welt nun nicht mehr sei, wie sie war… etc.
Wie, wenn wir ehrlich sind, war sie denn?  Es war ein jahrelanger social-medialer Wunschtraum, alles sei cool und locker. Eigentlich seien fast nur noch die klimatischen Gefährdungen zu lösen. Die kesse Annahme, unsere (selber reparaturbedürftige) Gesellschaft sei per se andern Vorbild genug, sie als exportfähige Vorlage künftiger Zukunftskonzepte anzusehen, empfand ich persönlich immer als anmaßend.
Seit über 70 Jahren lebe ich am gleichen Platz, in wechselnden Gesellschaften, die sich jeweils andern gegenüber immer klüger dünkten. Was geschieht denn gerade?
Die Erkenntnis, dass die alten Konflikte, trotz (was uns angeht) langer friedlicher Pause ungelöst blieben. Sie eskalieren in atemberaubendem Tempo. Schlimm, dass man das einzige Heil wieder in Aufrüstung und Krieg oder dessen Androhung sieht. Milliarden für die Rüstung! Was für eine Erkenntnis! Und einer nur trägt die Schuld!? Wer das glaubt, war, finde ich, in letzten Jahrzehnten nicht sehr aufmerksam. Immer blieben wir in Mitteleuropa Spielball großer Mächte.
Nun ist es ganz rasch Mode geworden, die Politik Verantwortlicher letzter Jahrzehnte in Frage zu stellen. Was haben die falsch gemacht? So wird nassforsch gefragt.

Wir, Schriftsteller, Autoren aller Genres, haben, was das Tun früherer Literaten angeht, gelernt, jeden in seiner Zeit zu werten und nicht in Relation zum jeweiligen Jetzt zu setzen. Mögen die heutigen Verantwortungsträgerinnen- und Träger klug genug sein, durch ihr Auftreten, durch brauchbare Entscheidungen und Handlungen so schnell es geht, wieder für eine lange Phase friedlicher Koexistenz zu sorgen. Den Menschen in der Ukraine hilft kein Beitritt in welches Lager auch immer. Sie brauchen nur eines: Schnellen Frieden!
Demonstrationen und Solidaritätsbekundungen sind gut. Ob sie das Blatt pragmatisch zu wenden vermögen, ist wie immer fraglich. Es sind Gesten. Jetzt ist die Stunde unserer gewählten und sehr gut bezahlten politisch Handelnden!
Mögen wir Schreiberinnen und Schreiber uns in dieser Lage, in großer Sorge, einander verbunden wissen!

Günther H. W. Preuße   (1.März 2022)

 

Ein Bittender, ein Suchender, ein Wanderer
Der Autor und Publizist Horst J. P. Miethe wurde 80

Mit tausend Dingen reich beschenkt bleib ich ein Bittender am Ende. Ein Suchender…, schreibt der Jubilar in einem seiner Gedichte. Das Credo eines Wanderers zwischen Kunst und Kultur, Politik und Wissenschaften.

Ein gebürtiger Märker
Horst Miethe erblickte das Licht der Welt an einem 13. November in Fürstenwalde. Im Ostbrandenburgischen. Was ist typisch märkisch? Der Dichter und Romancier Theodor Fontane schrieb dereinst: „Die Märker haben viele Tugenden, wenn auch nicht voll so viele, wie sie sich einbilden, was durchaus gesagt werden muss, da jeder Märker ziemlich ernsthaft glaubt, dass Gott in ihm und seinesgleichen etwas ganz Besonderes geschaffen habe.“ Welch Lied dem kleinen Horst auch ehedem an der Wiege gesungen wurde, dass die vor ihm liegenden Jahrzehnte ein so ereignisreiches und wechselvolles Leben für ihn bereithalten würden, war nicht zu ahnen. Wenngleich seine Herkunft wohl so manche Lebenslinie, vielleicht auch so manche Irrungen und Wirrungen, vorzuzeichnen schien. „Wir können uns weder Zeitpunkt noch Ort aussuchen, wenn wir in diese Welt geworfen werden. Auch nicht die Gene, die wir in uns tragen. Wir können uns nicht die Familie auswählen, in die wir hineingeboren werden. Nicht deren Platz in der Gesellschaft, nicht ihren Glauben und nicht ihr politisches Denken. Es ist ein Zufall, dass wir „wir“ sind.“, resümiert Horst Miethe. Seine Familiengeschichte verarbeitet er  „Mein Großvater wurde 1888 geboren. Er war Buchbinder, Sozialdemokrat, Mitglied des Freidenkerverbandes und vor allem Gewerkschafter. Letzteres wurde er – wie auch ich – mit 18 Jahren.“, erinnert er sich an den Mann, der ihn am meisten geprägt hat. Verarbeitet hat er seine Familiengeschichte in dem im Jahr 2012 erschienen Buch „Der Fliegenschiss auf Großvaters Brillenglas“. Die Quintessenz seiner Lebenserfahrungen hat Horst Miethe in den Titel geschrieben: „Vieles, worüber wir uns erregen und aus dem wir Schlüsse für unser Handeln ziehen, erweist sich bei näherem Hinschauen nur als der Fliegenschiss auf dem Brillenglas, durch das wir die Welt betrachten!“, meint er.

Schwankend zwischen Wissenschaft und Kunst   
Horst Miethes Lebensweg war privat wie beruflich zumeist eine Gratwanderung. „Ich war stets schwankend zwischen meinen Neigungen zu Politik, Wissenschaft und zu der Kunst!“  Gerade diesem Zwiespalt verdankt er wohl ein gerütteltes Maß seiner schillernden Persönlichkeit. In der ersten Hälfte der 1960er Jahre studiert er an der Berliner Humboldt-Universität Volkswirtschaft und Soziologie. Nebenbei belegt er mit reichlich komödiantischem Talent  ausgestattet –  drei Semester Sprecherziehung und Rollengestaltung bei der Schauspielerin Ada Mahr, spielt im Studententheater. Der Ernst des Lebens lenkt jedoch seine Schritte nach Abschluss seines Hochschulstudiums zunächst als jüngsten Lehrer an die Parteihochschule beim ZK der SED. Nach dreizehn Jahren im „Kloster“, wie er die Schule nennt, findet er seine berufliche Heimat an der Akademie der Wissenschaften, der er bis zum Ende der DDR treu bleiben wird. Doch stets werden Hochschullehre und Forschung, Promotion und Habilitation mit seinem publizistischen Wirken verbunden sein. Erste ernsthafte literarische Schritte ging er unter Anleitung des Schriftstellers Emil Rudolf Greulich (1909 – 2005) im Zirkel Schreibender Lehrer im Haus des Lehrers am Berliner Alexanderplatz. Vier von ihm verfasste Kinderbücher erschienen in hohen Auflagen auf dem DDR-Büchermarkt. Als seine wissenschaftliche Arbeitsstätte, das Institut für Soziologie und Sozialpolitik der Akademie der Wissenschaften, im Einigungsprozess „abgewickelt“ wurde, gründete Miethe gemeinsam mit bisherigen Weggefährten ein kleines Forschungsinstitut, das Brandenburgische Institut für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung. Bis zu dessen Auflösung im Jahr 2016leitete er es ehrenamtlich. Die Jahre 1996 bis 2000 sahen ihn an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus als Wissenschaftlichen Sekretär der bundesweiten Deutschen Vereinigung für Sozialwissenschaftliche Arbeitsmarktforschung.

Steckenpferd Kunst und Literatur
Erst das Ende seiner Erwerbstätigkeit erlaubte es ihm, bestärkt durch seine Frau Dorit sich uneingeschränkt seiner Passion ­ zuzuwenden: der kulturellen und publizistischen Arbeit. Er begann wieder zu schreiben. Kurzgeschichten, Gedichte und schließlch hält Lesungen und Vorträge. Eines seiner Steckenpferde wird die Filmgeschichte der Region. Und er setzt seiner Familie mit einem Mehr noch: Dr. Horst Miethe wird Initiator des jährlichen Gesundheitstages in Erkner, organisiert Konzerte, wie „Lyrik und Jazz im Rathaus“, gestaltet Fotoausstellungen und verfasst Broschüren zur Vergangenheit der Bahnhofsiedlung von Erkner, in der er seit den sechziger Jahren lebt. Mit dem Verlegen von Stolpersteinen und mit heimatgeschichtlichen Hinweistafeln in seinem Wohnumfeld fördert er die Erinnerungskultur. Nicht zu vergessen sein Engagement für die Kulturentwicklung der Stadt als Gründungsmitglied und jetzt Ehrenvorsitzender des Vereins 425 Kultur Erkner e.V.  Wen wundert es da, dass genau so einer zu den Erkneraner Köpfen gehört, denen die Ehre zuteil wurde, mit einem Eintrag im Ehrenbuch der Stadt gewürdigt zu werden. Menschen wie er gehören zu denen, die die Seele einer Stadt ausmachen – mit ihren Gesichtern, ihrer Persönlichkeit, ihrem Charakter, ihrem Charisma, ihren Lebensgeschichten.

Was treibt einen so vielseitig interessierten und engagierten Zeitgenossen, der mittlerweile auch Mitglied des Freien Deutschen Autorenverband ist, an seinem Lebensabend noch derart um? „Es geht mir darum, dass Kunst und Literatur mit Blick auf ihre Bedeutung für unser Leben ein spürbar höherer Stellenwert eingeräumt wird! Das ist und bleibt mein Motor!“, wird Horst Miethe nicht müde, zu betonen. Soweit es seine Gesundheit zulässt, will er weiterhin das kulturelle Profil der Gerhart-Hauptmann-Stadt bereichern. Die Brache ist noch längst nicht seine Bleibe!

Dagmar Neidigk